Openzen

Die Seite für ein offenes Zen


 



War ich jemals jung?



 

Ryokan, der japanische Zen-Meister "halb Shinto-Priester, halb buddhistischer Mönch", wie er sich in einem seiner Gedichte nennt, lebte in einer Einsiedlerhütte und lehrte nie. Recht hat er. Es gibt nichts zu lehren. Wer lehren will, hat die Idee, dass es etwas zu vermitteln gäbe, und wer sich dabei gar an das Verständnis der "Schüler/innen" anpasst, möchte dass sie etwas "verstehen". Es gibt aber nichts zu verstehen. Der Verstand ist vollkommen untauglich dafür zu begreifen, was ist. Es entzieht sich jedem Zugriff.

 
In einem seiner Gedichte fragt sich der alte Ryokan, ob er denn je jung gewesen sei. Es mag ihn ein Jugendbild leise gestreift haben, und er war sich dessen Unwirklichkeit bewusst. Ist es je geschehen - ist es nicht geschehen? Die Beschreibung eines Erlebnisses ist nicht das Ereignis. So wie es beschrieben wird, hat es sich nie zugetragen. Da war nie ein getrenntes Wesen, das "sein Leben" lebte, sondern einzig Unergründlichkeit, nicht verstehbar, nicht fassbar.

 

Die Jugend - nur flüchtige Bilder von Erscheinungen. Sowenig wie das Meer in seinem steten Wellengang "lebt", so wenig tun wir es.  Auch in der Jugendzeit war das vermeintliche Geschehen nichts anderes als ein ewiger Wellengang. Die Jugend war nicht wirklich, weil es keine getrennten Wesen gibt. In diesem Sinne lebt niemand wirklich.


Weil niemand lebt, stirbt auch niemand. "Jenseits von Leben und Tod" ist dafür eine Umschreibung des Zen. Nur reale Figuren können real sterben. Die Irrealität unserer "Person" ist aber offensichtlich. Nichts hat Bestand - nicht nur deshalb, weil "alle Dinge schnell vergehen", wie es im Zen heisst, sondern weil alles ungetrennt ist und es keine abgesonderten "realen" Dinge gibt. Da ist aber auch nicht "nichts", sondern einfach "genau das"! Jeder Versuch, dies zu fassen, steckt uns in ein gedankliches Gefängnis. Die Erscheinungen entziehen sich unseren Kategorien. Die Jugend - was ist das? War ich jemals jung?