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Form ist Leere und Leere ist Form



 

Die zentrale Aussage des Herzsutra - ein wichtiger Text des Zen, der vielerorts regelmässig rezitiert wird - ist die Passage: "shiki soku se ku - ku soku se shiki": Die Erscheinungswelt ist mit der Leere identisch, und ebenso die Leere mit der Erscheinungswelt. Beides ist eins, und auch nicht aus diesen zwei Aspekten zusammengesetzt. Es sind nur zwei Worte, die umschreiben sollen, was nicht gesagt werden kann - eine Art Annäherung an das völlig Unfassbare unserer Welt. Leere kann ebenso wie "nichts" nicht beschrieben werden. Sie ist nicht einmal grenzenlos, so wie "nichts" nicht einmal sein muss, um zu sein. Dies verstandesmässig erfassen zu wollen, ist unmöglich.

 

Dabei wird auch nicht gesagt, dass aus einem als Leere bezeichneten Urgrund die Erscheinungen hervorgehen würden - also das, was die sichtbare Welt ausmacht. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Erscheinungswelt stets von unfassbarem Charakter ist, weil dieser Urgrund von ihr nicht verschieden ist. Die Dinge sind nicht nur "etwas", sondern gleichzeitig auch "nichts". Dabei können "nichts" und "etwas" nicht wie zwei Dinge zueinander in Bezug gesetzt oder miteinander verglichen werden. Wie will man "nichts" mit "etwas" vergleichen?

 
Wir sind uns gewohnt, alle Erscheinungen als "etwas" zu sehen, aber sie sind zugleich auch "nichts". Sie sind nicht einfach begrenzte Erscheinungen, sondern zugleich unbegrenzt. Die Sicht ist erst vollständig, wenn das Unbegrenzte mit eingeschlossen ist. Und beides ist dabei eins - so wie in der Wasserfontäne Form und Leere gleichzeitig zum Ausdruck kommen. Diese Sicht setzt allerdings voraus, auch sich selbst nicht einfach als "etwas" zu verstehen, als abgegrenztes Wesen. Denn solange wir uns als etwas Beschreibbares wahrnehmen, sind wir von allen anderen Erscheinungen getrennt. "Ich" und andere, "Ich" und "mein Leben" ist Trennung. Wir sind aber das einheitliche Leben, das sich je neu gestaltet. Als Form, die Leere ist.