Openzen

Die Seite für ein offenes Zen


 



Der Finger zeigt alles



 

Der alte Zen-Meister Gutei hob immer seinen Finger hoch, wenn er nach Zen gefragt wurde. Als ein junger Mönch ihn nachahmte, ohne die Tiefe dieses Ausdrucks verstanden zu haben, schnitt ihm Gutei den Finger ab. Wie der Mönch schmerzerfüllt davonrannte, rief er ihn zurück und erhob seinen Finger. Dies soll den Jungen zur Erkenntnis gebracht haben.


Gutei weist mit seinem Finger darauf hin, was nicht gesagt werden kann. Soweit so gut. Dass aber dem Schüler der Finger abgeschnitten wird und er dann begreift, scheint eine unnötige Qual zu sein. Finger-Abscheiden und auch der Schmerz sind wie alles andere Geschehen auch reine Erscheinungen, damit zwar vollständig und ganz, aber auch nicht mehr als alle anderen Erscheinungen. Finger-Erheben kann in einer bestimmten Situation geschehen. Wenn es aber stets wiederholt wird, ist es zwar immer Ausdruck von "Allem" wie alles andere Verhalten auch, aber es besteht die Gefahr der Gewohnheit. Und "Finger-Abschneiden" geht doch sehr weit. Das kann wohl kaum ohne Absicht geschehen sein. In der Zen-Literatur, wird diese mögliche Absicht kaum kritisch hinterfragt, so wie im Zen allgemein Absichten als ehrenwert gelten, wenn sie ein gutes Ziel verfolgen (den anderen zur Erkenntnis zu bringen).
 
Was geschehen kann, ist dass dieses "Ich" wegfällt, und damit alle Absichten. Und auch alle Erkenntnismöglichkeiten fallen weg. Da ist nicht "jemand", der jetzt etwas erkannt hat, sondern da ist eben keine Person mehr, kein "Ich" mehr, das etwas erkennen könnte. Der Finger ist abgeschnitten - da ist nichts mehr. Womit die Sicht frei wird. Es ist aber nicht die Sicht einer Person, sondern einfach Sicht.

 
Es bleibt nichts. Damit ist kein grosses "Nichts" gemeint, das verstanden werden müsste oder könnte. Es geht einfach um den Wegfall aller Beschreibungen, und schon erscheint die Welt wie sie ist. Alles ist einfach was es ist, ohne Kommentar. Es ist nicht einmal schön, wunderbar, oder schlimm, schrecklich. Diese Begriffe versuchen etwas zu charakterisiren, was nicht charakterisiert werden kann. Es ist nicht beschreibbar.